Daß mir ja keiner mit Handy oder Regenschirm kommt ...“    >

Mittelalter live auf der Burgruine Brennberg/ Ritter, Räuber, Lady oder Hexe: Alles ist möglich/ Historien-Spektakel ganz ohne Zuschauer

MZ Dienstag 27.Oktober 1998 von Resi Beiderbeck


Für drei Tage wurde die Burgruine Brennberg zur Provinz Alaron der Grafschaft Symburn. - Foto: Beiderbeck

BRENNBERG. Der Sternenhimmel ist gigantisch, der Mond rundet das Firmament ab, heftige Windstöße lassen die Fackeln im Burghof auflodern, aus der Taverne scheint Kerzenlicht. Dort sind die Ritter des Grafen Malvenaris versammelt, um bei einem Humpen schweren Weines die bedrohliche Lage zu erörtern, in der sie gerade sind. Nein – nicht der neuste Robin Hood aus Hollywood läuft – eine Gruppe Gleichgesinnter aus Regensburg, Kallmünz, Donaustauf, Altötting, Schwandorf, Straubing Landshut hat die Burgruine Brennberg für ein Wochenende gemietet. Sie wollen hier „Mittelalter spielen“.

Drei Tage lang alles anders

Im richtigen leben sind sie Schüler, Studentin, Koch, Mechaniker, Steuerberater, Betriebswirt oder Chemiker. Aber drei tage lang ist alles anders: Man ist edler Ritter oder verwegener Räuber, schöne Lady oder böse hexe. Die Jeans tauscht man mit Pelz und Plüsch, um die Schultern wirft man sich Samt und Seide oder Leinen und Leder, je nach Stand. Man geht gesäbelt und gewappnet, schlüpft ins Kettenhemd und stülpt sich einen Helm aufs Haupt.

Soweit irgend möglich, muß alles authentisch sein, also Kerzen und Öllampen statt elektrischem Licht und „dass mir keiner mit Handy oder Regenschirm kommt!“ mahnt Daniela Schmatz schon mal vorsorglich. Die 25jährige Regensburgerin hat das Spektakel organisiert und zwar zum ersten mal. Die Burgruine Brennberg erschien Daniela Schmatz hervorragend geeignet für ihr Vorhaben und sie hat sich auch nicht getäuscht: „Hundertprozent ambiente-tauglich“ sei das Gelände und die nächtlichen Lichteffekte schier atemberaubend.

Da fällt es leicht sich in seiner Rolle zu finden und mit dem Spiel zu beginnen. Was hier inszeniert wird ist „historisches Stehgreifspiel des 14. Jahrhunderts“. Jeder hat eine vorgegebene Rolle, bestimmt aber selbst, was er daraus macht. Die Handlung ist offen und der Ausgang des „Stückes“ sowieso.

Bekannt ist lediglich die Ausgangssituation: Malvenaris Silberstern, Graf zu Symburn, wendet sich per Boten an alle Bürger Verwandten und Freunde Trawoniens und bittet um Hilfe. Seit einiger zeit macht nämlich eine Bande Gesetzloser die Wälder der Provinz Alaron in Symburn unsicher, überfällt Reisende und Händler. Die Handelsstraße durch den Wald ist nahezu unpassierbar geworden, Lady Jasalka Deryn von Eloyn wurde entführt, das alte Wappen der edlen von Invyra geraubt Tapfere Recken, edle Ritter und weise Gelehrte werden also gebeten, sich bei Sonnenuntergang einzufinden, um zusammen „gegen das Übel zu Felde zu ziehen“.

Und schon wird die Burgruine Brennberg zur „Provinz Alaron der Grafschaft Symburn“, der Sommerkeller der Burg heißt nun „Taverne zur Lustigen Fledermaus“ und das 20. Jahrhundert wird einfach ausgeknipst. Leichter gesagt als getan. Auf kaltem unbequemen Strohlager schlafen, wo`s doch kuschelwarme Daunenschlafsäcke gibt? Keine Probleme haben die Akteure mit dem Piercing: „Ringe in der Nase – das hatten doch schon die alten Römer. Das ist kein Stilbruch!“

Spiel aus Spaß am Mittelalter

Überhaupt ist man relativ großzügig, was die Figuren betrifft: Hexe, Fee, Magier, Gesandter, kann man alles brauchen beim Mittelalter-Spiel. Es gibt also eine Menge zu sehen – die Zuschauer würden sich gewiss wundern. Nur: Es gibt keine Zuschauer. Gespielt wird nicht fürs Publikum. „Wir spielen nur für uns selbst aus Spaß am Mittelalter!“ Zuweilen gibt`s richtig „Action“: Es wird gekämpft mit Stöcken, Beilen und Schwertern. Alles Attrappen, versteht sich. Es sieht also spannender aus als es ist. Das gilt auch fürs Wetter. Dem Anlas entsprechend gibt es sich hochdramatisch, schwarze Wolkenberge jagen von Westen her, peitschen Regengüsse gen Osten. Minuten später ist der Spuk vorüber, bahnt sich die Oktobersonne ihren Weg durch die Wolken.

In der „Taverne“ machen sich die Edlen von Symburn übers Frühstück her – bei Kerzenlicht natürlich – obwohl sich Butter, Marmelade und Kaffee in nichts von den Lebensmitteln des ausgehenden 20. Jahrhunderts unterscheiden ...

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